„An Ärger festzuhalten ist wie wenn du ein glühendes Stück Kohle festhältst in der Absicht, es nach jemandem zu werfen – derjenige, der sich dabei verbrennt, bist du selbst.“
Buddha
Kennst du das?
Mir ist einmal folgendes passiert: Ich bin einer Freundin – bis dahin dachte ich zumindest, sie sei eine Freundin – im übertragenen Sinne schmerzhaft auf den Fuß getreten ohne es zu wollen. Mit anderen Worten: Durch eine unbedachte Äußerung meinerseits habe ich sie nicht nur verärgert, sondern auch verletzt. Das war natürlich nicht meine Absicht und ich habe mich bei ihr aufrichtig entschuldigt. Ich hatte den Eindruck, dass sie mit meiner Entschuldigung mein unbedachtes Verhalten nicht mehr schmerzte und meine Unachtsamkeit damit aus der Welt sei. Dachte ich.
In den folgenden Monaten meldete sie sich nicht mehr bei mir, es gab keinen Anruf und auch keine SMS. Das war ungewöhnlich, denn wir hatten immer, mal mehr mal weniger, Kontakt miteinander. Auf SMS von mir reagierte sie sehr sparsam, kurz und deutlich knapp, telefonisch konnte ich sie nicht erreichen. Das alles war äußerst merkwürdig und ich bekam allmählich den Eindruck, dass sie immer noch verärgert war und mich mit ihrem Schweigen „strafen“ wollte. Das alles war Spekulation meinerseits, denn ich bekam keinen Zugang mehr zu ihr, und damit auch keine Gelegenheit für ein klärendes Gespräch.
So blieb ich also meinen Fragen und meiner Spekulation überlassen und merkte, dass ich immer verärgerter wurde. Denn das muss an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden: Es ist unfair und auch wenig wertschätzend, einem Menschen nicht den notwendigen Raum zu geben, um mit ihm gemeinsam über den Konflikt zu reden, mit dem Ziel, ihn aus der Welt zu schaffen. Nach einem halben Jahr habe ich die Reißleine gezogen und sie mit meinem Weihnachtsgruß per Karte wissen lassen, dass ich ihre Entscheidung, den Kontakt zu mir nicht mehr zu wollen, akzeptiere. Damit konnte ich dann für mich einen Haken an diese Beziehung machen, so schmerzhaft es auch war.
Was war eigentlich geschehen?
Ich spekuliere: Sie war immer noch sauer. Anstatt das Gespräch mit mir zu suchen, hat sie sich in strafendes Schweigen gehüllt. Ich hatte mich bei ihr entschuldigt und nicht nur das, ich habe verstanden, dass mein Verhalten verletzend war, was ich ihr gegenüber auch deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Was also fehlte ihr noch?
Ich habe keine Ahnung.
Ich nenne ein solches Verhalten unreif und manchmal bezeichne ich es auch als „Kinderkacke“, denn ich kann erwarten, dass Menschen, denen ich wichtig bin, sich mit mir auseinandersetzen. O.k., was die vermeintliche Wichtigkeit betrifft, könnte man an dieser Stelle streiten. Möglicherweise war ich der Freundin gar nicht so wichtig, wie ich dachte. Dann jedenfalls ist es doch gut, dass sie es mir auf diese Art gezeigt hat, weil mir der Abschied dann leichter fiel.
Doch wie oft erlebst du beharrliches (strafendes?) Schweigen nach einer Meinungsverschiedenheit in deinem eigenen Umfeld?
Sprichst du die Dinge aus, auch wenn sie noch so unangenehm sind? Oder drückst du dich auch davor, weil alles, was danach kommen könnte, nach zerstörendem Streit riecht? Gibt es Glättungsversuche deinerseits in dem Bestreben, die notwendige An-und Aussprache zu vermeiden? „Der ist halt so, den muss man nehmen, wie er ist!“ oder „Das hat sie bestimmt nicht so gemeint!“ Oder, schlimmer noch, an die eigene Adresse: „Jetzt stell‘ dich mal bloß nicht so an, du bist aber auch wirklich eine Mimose!“
Geht es dir wirklich gut damit, deinen Ärger oft hinunterzuschlucken und ihn dir nicht anmerken zu lassen?
Manche Menschen sind es tatsächlich nicht wert, dass man das klärende Wort an sie richtet. Diese unangenehmen Zeitgenossen meine ich auch nicht. Solche Leute befinden sich normalerweise auch nicht im eigenen Umfeld, sondern fallen unangenehm im täglichen Leben auf, beim Einkaufen oder in der S-Bahn.
Ich meine die Menschen, die dir etwas bedeuten, die du gern hast oder sogar liebst. Können sie von dir erwarten, dass du ehrlich bist mit ihnen, wenn du dich geärgert hast oder verletzt bist durch sie?
Viele von uns drücken sich vor einem solchen Gespräch. So „moppern“ sie still vor sich hin, wenn sie sich beharrlich ärgern über einen Menschen, sprechen es aber nicht aus. Sie können es einfach nicht. So häuft sich dann über die Zeit viel Unausgesprochenes an, der Berg wird immer höher, bis es entweder zu einem Totalrückzug kommt (wie eingangs beschrieben) oder zum Riesenknall, der dann richtig verletzend und zerstörend sein kann. Da werden dann alle Register gezogen, da ist dann nichts mehr heilig und es ist jedes Mittel recht, um es dem Menschen, der sich doch schon so lange blöd verhalten hat, einmal richtig zu geben. Und der fällt vielleicht aus allen Wolken, weil er komplett ahnungslos war. Und wird sauer. Und schlägt zurück. Und….
Und dann haben wir zwischenmenschlich so etwas wie jetzt in Russland bzw. der Ukraine.
Jetzt mal ehrlich: Das geht doch auch anders, oder?
Damit komme ich dann wieder zu dem Problem des „Sichdrückens“. Warum zeigst du deinen Ärger nicht, deine Wut? Wovor hast du Angst?
In meiner Familie wurde geschwiegen bis zum Erbrechen. Es war ungeschriebenes Gesetz, Wut, Ärger oder andere Ansichten für sich zu behalten, zu schlucken. Im übertragenen Sinne war der Dreckhaufen unter dem Wohnzimmerteppich über die Jahre bis zur Zimmerdecke angewachsen, also eigentlich unübersehbar. Doch wir waren gedrillt darauf, auch dem größten Dreckshaufen auszuweichen, ihn sogar zu ignorieren. Schlimmer noch: Wir wurden als Kinder bestraft, wenn wir unsere Wut zeigten. Also haben wir dieses eigentlich gesunde und normale Verhalten tunlichst vermieden. Es hat Jahre gedauert, bis ich mir erlaubt habe, Ärger und Zorn zu zeigen und zu leben, und es hat weitere Jahre gebraucht, die Konfrontation direkt zu suchen und anzusprechen, was mir nicht passt – kurz: das Gespräch zu suchen.
Es gibt viele Gründe, zu schweigen. Der schwerwiegendste Grund ist aus meiner Sicht Angst, die Angst zu verletzen, doch auch die Angst, verletzt zu werden. Oder die Angst davor, dass ein Streit eskaliert, in dem die Parteien sich anschreien, beleidigen und verletzen, schlimmstenfalls prügeln, so wie du es vielleicht als Kind oft erlebt hast. Es ist dir vorgelebt worden, dass Streit immer brutal endet und deshalb hast du als Erwachsener Angst. Das ist erlernt und nicht segensreich im täglichen Umgang. Jeder Mensch kann erwarten, dass ehrlich mit ihm umgegangen wird, denn wie soll er sonst wissen, wo deine Grenzen sind? Die kennt er nicht, weil du sie ihm nicht zeigst. Und so trampelt er ahnungslos möglichst regelmäßig immer in die gleiche Falle und du ärgerst dich still und dann…siehe oben.
Dann gibt es noch das absolut widerwärtige und kindische strafende Schweigen. Das kenne und hasse ich aus meiner Kindheit. Habe ich mich nicht wohl verhalten (ich war nicht lieb oder brav), haben die Erwachsenen nicht mehr mit mir gesprochen. Weißt du aus deiner eigener Erfahrung, wie du dich damals gefühlt hast? Ich jedenfalls fühlte mich hundsmiserabel und als ich erwachsen war, konnte man mich mit strafendem Schweigen immer noch „kriegen“.
Irgendwann erwischte ich mich dabei, dass auch ich dazu tendierte, mich in strafendes Schweigen zu hüllen, wenn jemand sich mir gegenüber dumm verhalten hatte. Das habe ich so gelernt von meiner Mutter und auch meiner Großmutter. Da war viel „Entwicklungshilfe“ meinerseits nötig, damit ich diese dumme und kindische Attitüde endlich ablegen konnte.
Meine „Entwicklungshilfe“ war und ist die Hypnose. Dieses wunderbare Werkzeug half mir, meine Angst aufzulösen und loszulassen, und auch zu lernen, darauf zu vertrauen, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich mal nicht mehr freundlich bin, sondern sauer.
Falls du ein ähnliches Problem hast, das du gern loswerden möchtest: Ruf‘ mich einfach an!
Ich freue mich auf deinen Anruf, denn ich unterstütze dich gern.
Und jetzt bleibt mir nur noch, dir einen wunderschönen Juni zu wünschen.